Eine Blütezeit der «Scientia amabilis»: Von zwei Pflanzenliebhabern und botanischen Rivalen

Der aus einer traditionsreichen Arztfamilie stammende Zürcher Landarzt und Regierungsrat Johannes Hegetschweiler war in seinen Mussestunden ein leidenschaftlicher Alpenforscher und eifriger Pflanzensammler. Der siebzehn Jahre jüngere Bündner Alexander Moritzi war dagegen ein studierter Botaniker mit progressiven Ansichten und wenig Geduld für traditionellere Pflanzenfreunde. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben die beiden die Erforschung unserer einheimischen Pflanzenwelt mitgeprägt—heute sind ihre Leistungen und botanischen Werke beinahe vergessen.

Der Irrenhausdirektor und die Sommervögel: Vom Verschwinden unserer Tagfalter

Hiobsbotschaften sind bei Journalisten und Lobbyisten gleichermassen beliebt. Krisen schaffen Aufmerksamkeit, garantieren Publikum, sichern Pfründe. Die Nachrichten von der Front des Insektensterbens häufen sich nun schon seit etlichen Jahren. Biologen sagen zwar, es gäbe weit über eine Million Arten von Insekten auf der Erde. Man könnte aber auch sagen, dass es bloss zwei Arten von Insekten gibt. Denn in unserem Urteil sind die Sympathien, was Insekten betrifft, klar verteilt: Auf der einen Seite sind Tiere wie Stechmücken, Filzläuse und Kakerlaken des Teufels.

Reise zum Fluss, der bergauf fliesst: Auf Humboldts Spuren in der Hyläa Amazoniens

Man sagt, die Schweiz sei das Wasserschloss Europas. Von der dreifachen Wasserscheide auf dem Pass Lunghin auf 2645 Metern über Meer in den Bündner Alpen fliesst das Wasser via Rhein in die Nordsee, via Po in die Adria und via Donau ins Schwarze Meer. Ist das Wasser aber einmal unterwegs in einem hydrologischen Einzugsgebiet ist es darin gefangen durch die Gravitation bis zum Zeitpunkt, wo es sich schliesslich in ein Meer ergiesst. Ein Wechsel in ein anderes Einzugsgebiet ist nur durch menschgemachte Kanäle möglich. So glaubte man jedenfalls—die Schwerkraft mache schliesslich keine Ausnahmen.

In die Abgründe der Weltmeere: Zwei Sternstunden der Ozeanografie mit Zürcher Beteiligung

Vor 200 Jahren erblickten unabhängig voneinander und beinahe gleichzeitig drei Schiffsbesatzungen aus drei verschiedenen Ländern erstmals den antarktischen Kontinent. Der russische Kapitän Fabian Gottlieb von Bellingshausen, der irisch-britische Kapitän Edward Bransfield und der amerikanische Robbenjäger Nathaniel Palmer wurden so im Frühjahr 1820 zu den Entdeckern der sagenumwobenen Terra Australis. Und spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts waren dann alle grösseren Landmassen der Erde entdeckt.

Miriam und der Monarch: Von einer Amateurwissenschaftlerin mit gewissen VorzügenMiriam und der Monarch

Es dauerte ein Jahr, bis sich die sonst so selbstwusste Engländerin endlich ein Herz fasste und zur Füllfeder griff. Es war 1963 und der Adressat ihres Schreibens – Tadeus Reichstein – war Chemie-Professor und Nobelpreisträger für Physiologie. Sie selbst war elf Jahre jünger und hatte nie die Schule besucht. Reichstein antwortete ihr mit einem langen Brief, lud sie kurzerhand in die Schweiz ein und begann eine fruchtbare Zusammenarbeit, die eine neue Forschungsrichtung mitbegründen sollte. Der Name des Forschungsgegenstandes: Danaus plexippus—der Amerikanische Monarch. Der Name der Laienforscherin: Miriam Rothschild—adlige Biobäuerin und exzentrische Bankierstochter.

Die Bombenidee: Ein ETH-Ingenieur gründet ein Start-Up und erfindet die «chirurgische Kriegsführung»

Es war ein klarer Morgen. Vielleicht würde es der letzte und entscheidende Angriff im blutigsten Krieg der Menschheitsgeschichte sein—der Höhepunkt von sechs Jahren Bombenkrieg hinter den Fronten. Auf 31’600 Fuss Flughöhe hatte sich Thomas Ferebee am 6. August 1945 um acht Uhr morgens über sein modernes Zielgerät zuvorderst in der Nase einer B-29 gebeugt. In zwölf Meilen Entfernung entdeckte er das Ziel der Mission, die Aioi-Brücke über den Ota-Fluss, und so übernahm er vom Piloten die Kontrolle über den silbern glänzenden, viermotorigen Bomber. Dann vollzog er mit der stoischen Ruhe des erfahrenen Bombenschützen in einem Ritual von Handgriffen die notwendigen Anpassungen an den Reglern des Zielgerätes. In einer Symbiose von Mensch und Maschine übernahm schliesslich der Autopilot den Schlussanflug und löste um 8 Uhr 15 eine einzelne, vier Tonnen schwere Bombe aus der Dunkelheit des Bombenschachtes. Man nannte sie «Little Boy». Und nach 43 Sekunden explodierte sie über dem Stadtzentrum von Hiroshima. Vor dem Krieg war die Vermeidung von Kollateralschäden – Ironie der Geschichte – das erklärte Ziel von Carl Norden, dem Erfinder des Präzisionszielgerätes, gewesen. Staatsmänner und Generäle sollten dann andere Prioritäten haben.

Niemand ist eine Insel: Wie isolierte Kleinstvölker in einer vernetzten Welt überleben

Die ganze Erde wird von der fortschreitenden Globalisierung erfasst…die ganze Erde? Nein! Eine von unbeugsamen Sentinelesen bewohnte kleine Insel im Indischen Ozean hört nicht auf, allen Eindringlingen Widerstand zu leisten. Vergangenen November verlegte die Nachricht über einen tragischen Vorfall in einem vermeintlichen Ferienparadies den bekannten Astérix-Prolog gleichsam von Gallien nach Indien: John Allen Chau, ein 26-jähriger Amerikaner – enthusiastischer Weltverbesserer und gläubiger Christ – hatte es sich zur Aufgabe gemacht, im Alleingang das Wort Gottes und die Errungenschaften der Zivilisation zu den Menschen auf North Sentinel Island, einem Eiland der zu Indien gehörenden Inselgruppe der Andamanen, zu bringen. Und aus einem fröhlichen Abenteuer mit Kajak und Bibel wurde tödlicher Ernst.

Die Fabel vom Honigdachs: Eine kurze Geschichte vom Geschichtenerzählen in Wissenschaft und Medien

Ist Ihnen auch schon aufgefallen, wie selten Gefässpflanzen, Algen, Flechten, Pilze und Mikroorganismen von unseren Medien portraitiert werden? Im Fernsehen gibt es für jede Sendung über Pflanzen & Co. dutzende mit einem Fokus auf Tieren, wo Pflanzen hauptsächlich als Dekor oder Nahrung für die Hauptprotagonisten dienen. Beim renommiertesten Wettbewerb für Naturfotografen – dem «Wildlife Photographer of the Year», der seit 1965 vergeben wird – dominieren Tierbilder in einem Masse, dass eine besondere Kategorie für Pflanzenfotos geschaffen werden musste, um diese vernachlässigten Lebensformen etwas zu fördern. Ob Honigbiene, Königspinguin oder Stachelschwein—das Storytelling-Potential von Tieren ist für uns Menschentiere naheliegenderweise deutlich grösser als das von pflanzlichem Leben. Und da es auch in den Wissenschaften kaum etwas Wichtigeres gibt, als eine gute Geschichte erzählen zu können, ziehen im Interesse einer informierten Öffentlichkeit sowohl Medienschaffende wie Naturwissenschaftler am gleichen Strick. Doch das frohe Geschichtenerzählen birgt auch Gefahren und kann aus dem Ruder laufen.

Der Kampf um Schokolade und Gummi: Welches Schicksal den Kakao- und Kautschukplantagen droht

Wie halten Sie es mit der Schokolade? Zieht man als Mass den schweizerischen Durchschnitt heran, so geniessen Sie jährlich wahrscheinlich gut 11 Kilogramm Schokoladenprodukte – in kaum einem anderen Land ist der Appetit auf diese Süssigkeit so gross. Zudem ist die Schweiz, insbesondere Zürich, die Heimat grosser Schokoladenproduzenten, deren Produkte in der ganzen Welt verkauft werden. Nicht weiter erstaunlich, dass die Schweiz in der Wahrnehmung vieler als regelrechtes «Schoggi»-Land gilt. Man sollte also meinen, dass wir auch naturwissenschaftlich etwas vom Schokoladenfach verstehen. Tatsächlich kennt man aber das natürliche Ökosystem – einschliesslich unerlässlicher Bestäuber und gefährlicher Krankheiten – selbst von wichtigen tropischen Nahrungspflanzen wie dem Kakaobaum oder auch von Nutzpflanzen wie dem Kautschukbaum bisher nur fragmentarisch. Dies könnte sich rächen.

Zwei Männer im Moor: Leben und Vergehen in unseren Feuchtgebieten

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – offenbar auch wenn es sich beim Vater um einen Nobelpreisträger handelt. Wohl jeder Chemiker kennt die Arrhenius-Gleichung, welche die Beziehung der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten zur Temparatur beschreibt. Benannt ist sie nach dem schwedischen Physiker und Chemiker Svante Arrhenius, der 1903 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wurde. Jeder Ökologe kennt seinerseits eine andere Arrhenius-Gleichung. Diese geht auf den Sohn von Svante, Olof Arrhenius, zurück und wird oft verwendet, da mit ihr auf einfache Weise Voraussagen gemacht werden können, wieviele Arten aufgrund eines Habitatsverlustes todgeweiht sind und aussterben werden. Doch bekanntlich sind Prognosen immer schwierig – besonders wenn sie die Zukunft betreffen.