Im Schatten Dufours

Ein Zürcher Topograf revolutioniert die Kartografie

Vor 150 Jahren wurde die Erstausgabe der berühmten Dufourkarte vollendet. Ein anderes kartografisches Jubiläum gerät darob leider etwas in den Hintergrund.

Eine alles überragende Figur: Reiterstandbild Dufours in Genf aus dem Jahre 1884. Bild: Christoph Hurni.

Das Jahr 2015–2016 ist das Internationale Jahr der Karte der Vereinten Nationen. In diesem Zusammenhang wird verschiedentlich der grossen Bedeutung der Topographischen Karte der Schweiz in 25 Blättern—allgemein bekannt unter dem Namen Dufourkarte—als erstes amtliches Kartenwerk unseres jungen Bundesstaats Tribut gezollt. Fast gleichzeitig wurde 1865 aber auch die Karte des Kantons Zürich von Johannes Wild fertiggestellt—und im Rückblick stellt man fest, dass die Wildkarte eigentlich zukunftsweisender war.

Johannes Wild (1814–1894) hatte im Sommer 1843 die Leitung des Topographischen Büros des Kantons Zürich übernommen und er nahm daraufhin selber Probeblätter auf, die als Muster für das geplante kantonale Kartenwerk dienten. In den folgenden Jahren führten aber Eisenbahnprojekte und der Sonderbundskrieg zu Verzögerungen des Zürcher Vorhabens, und die topografischen Feldaufnahmen wurden schliesslich erst 1851 abgeschlossen. Wilds Idee war es nun seine Karte—im Gegensatz zu der sich ebenfalls in Arbeit befindenden Schweizerkarte von General Guillaume-Henri Dufour (1787–1875)—in Stein graviert d.h. lithographisch im Farbdruck, und dies im unreduzierten Massstab der Aufnahme von 1:25’000, herauszugeben. Er führte dazu den Zeichner Heinrich Enderli sowie die Stecher Johann Jakob Brack und Josef Graf selbst in deren Arbeit ein und kontrollierte über die Jahre hinweg ihren Fortschritt an den 32 Kartenblättern.

Im Jahre 1855 wurde Johannes Wild zum ersten Professor für Topografie und Geodäsie am neugegründeten Eidgenössischen Polytechnikum (der heutigen ETH) berufen. Die ersten gedruckten Blätter der Wildkarte, die Dufour vorgelegt wurden, fanden dessen ungeteilte, neidlose Bewunderung: «Die Ausführung dieser Blätter ist vollkommen und lässt in Bezug auf Klarheit und Korrektheit nichts zu wünschen übrig. Sie ehrt Ingenieure, Zeichner und Stecher gleichermassen.». Im Jahre 1865 lagen schliesslich alle 32 Blätter vor und bedeckten eine Fläche von 5,65 Quadratmeter.

Die internationale Bedeutung dieses regionalen Kartenwerkes liegt darin, dass erstmals—und dies bereits in fast vollendeter Form—das Potential von farbiger Terraindarstellung in Verbindung mit einer Höhenkurvenkarte demonstriert wurde. Im Gegensatz dazu sollte die noch in Kupfer gestochene, schwarzweisse Schraffenkarte Dufours das letzte grosse Kartenwerk in dieser Form bleiben. Ende 1865 übernahm denn auch Oberst Hermann Siegfried (1819–1879) von General Dufour die Leitung der Eidgenössischen Landestopographie und überführte dieses Amt von Genf nach Bern. Der in der Folge unter seiner Aufsicht realisierte sogenannte Siegfried-Atlas der Schweiz, dessen Herausgabe sich über Jahrzehnte erstreckte, zeigte klar sein wahres Vorbild—nicht General Dufour sondern Professor Wild.

Johannes Wild war seit 1843 Mitglied der NGZH, und 1883 wurde ihm im Grossmünster die Ehrendoktorwürde der Universität Zürich verliehen. Nach dem Sommersemester 1889 trat er im Alter von 75 Jahren von seiner Lehrtätigkeit am Polytechnikum zurück.

  • Paul Caminada (2003) Pioniere der Alpentopografie: Die Geschichte der Schweizer Kartenkunst. AS Verlag. ETH Zürich, Bibliothek Erdwissenschaften, Signatur F 71.

  • Richard Grob (1941) Geschichte der Schweizerischen Kartographie. Verlag Kümmerly und Frey. Zentralbibliothek Zürich, Signatur A III 3628.

  • David Gugerli & Daniel Speich (2002) Topografien der Nation: Politik, kartografische Ordnung und Landschaft im 19. Jahrhundert. Chronos Verlag. ETH Zürich, Bibliothek Erdwissenschaften, Signatur F 45.

  • Kurt Wild (1988) Vom Bauernbuben zum Professor: Johannes Wild (1814–1894). Verlag Buchdruckerei Richterswil AG. Zentralbibliothek Zürich, Signatur CW 4434.